Im intermedix-Interview berichtet Frank Weidle (GfK) über die Erkenntnisse aus verschiedenen GfK-Analysen zum Thema Return-on-Invest (ROI) im Pharma-Marketing und verrät unter anderem, was es beim Auf- und Ausbau von Arztempfehlungen als Marketinginstrument besonders zu beachten gilt.
Für Pharmaunternehmen ist es in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, den Erfolg von Marketingmaßnahmen nachzuweisen, Stichwort ROI. Wo liegen hier aus Ihrer Sicht die Herausforderungen für Produkt- und Marketingmanager?
Eine der größten Herausforderungen bei der ROI-Messung ist es, die einzelnen Maßnahmen vergleichbar zu machen. Die zeitlichen Auswirkungen von Maßnahmen unterscheiden sich jedoch. Ein Beispiel hierzu aus unseren Studien im OTC-Umfeld: TV-Werbung zeigt sehr schnell positive Effekte, ist aber beim "Abschalten" der Kampagne auch wieder sehr schnell aus dem Sinn der Verbraucher. Einen länger wirkenden Effekt haben Printkampagnen; die Arztempfehlung wirkt sogar noch sehr lange nach dem eigentlichen Impuls.
Die meisten ROI-Untersuchungen, die es im Markt gibt, beziehen sich auf ein Modelling der Endverbraucherwerbung. Dabei wird häufig nicht der Einfluss der verschiedenen zusätzlichen Faktoren aufeinander beachtet, z.B. welchen Einfluss hat die Apotheken- oder die Arztempfehlung? Gibt es vielleicht sogar einen Zusammenhang zwischen erhöhten oder verringerten Spendings in Public Media und der Zunahme bzw. Abnahme dieser Empfehlungen? Auch sind in vielen Modellen keine Wettereinflüsse enthalten. Gerade bei Erkältungsprodukten kann hierüber sehr viel erklärt werden.
Sie sprachen das Thema Arztempfehlung an. Welchen Einfluss hat diese im Bereich OTC?
Die Arztempfehlung ist aus unserer Erfahrung ein mächtiges Instrument. Es gibt Märkte, da hat die Arztempfehlung einen größeren Einfluss auf die Kaufentscheidung als die eigene Zufriedenheit mit bereits bekannten oder verwendeten Produkten. Häufig steht die Arztempfehlung aber nicht im Fokus der Marketingmaßnahmen oder wird im Media-Mix bzw. der Auswertung nicht oder nur wenig berücksichtigt. Es sind eher die mittelständischen Unternehmen, die aufgrund Ihrer Nähe und Ihrem Fokus auf den deutschen Markt in diesem Bereich mehr Potenziale schöpfen.
Die Definition der richtigen KPIs für die Auswertung ist das A und O in der Auswertung. Was sollten Marketer hier unbedingt beachten, worauf kommt es an?
Zunächst müssen Marketer wissen und verstehen, was die Einflussfaktoren in einem Markt sind. Ist ein Markt nahezu ausschließlich über Endverbraucherwerbung zu erschließen oder hat der Arzt mit seiner Empfehlung in dieser Indikation und Zielgruppe einen Einfluss? So macht es beispielsweise bei einem Arztmarkt wenig Sinn, Endverbraucherwerbung zu schalten und umgekehrt. Haben wir es beispielsweise mit einem Generikamarkt zu tun, spielt der Preis die entscheidende Rolle und es geht folglich darum, einen niedrigen Preis im Markt zu realisieren.
Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Kampagne ist, dass ich die Marktmechanismen und Entscheidungskriterien meiner Zielgruppe kenne. Nur dann kann ich den Marketingmix optimal darauf ausrichten und anschließend die passenden Kennzahlen festlegen. Und auch hier zeigt sich, dass es Kennzahlen gibt, die in den Standardauswertungen oftmals nicht berücksichtigt werden. Dazu gehört beispielsweise die Steigerung der Loyalty-Rate im Vergleich zum Wettbewerb. Was bedeutet hier Loyalty-Rate? Die Käufer eines Produktes haben einen gewissen Jahresbedarf, z.B. an Schmerzmitteln. Nehmen wir einmal an, die Käufer von Aspirin decken Ihren Jahresbedarf an Schmerzmitteln zu 80% über Aspirin, so sprechen wir hier von einer Loyalty-Rate von 80%.
Sie bieten unterschiedliche Panel für Pharmaunternehmen an. Für welche Fragestellungen eignet sich diese Form der Auswertung besonders gut?
Zum einen haben wir mit GfK m*scope eine Käuferstudie, die Auskunft darüber gibt, wie das Kaufverhalten der Endverbraucher am POS (Point-of-Sale) der stationären Apotheke und der Versandhandelsapotheke ist. Diese Studie hilft dabei, die Marktmechanismen zu verstehen und den richtigen Marketingmix auf diese Marktmechanismen auszurichten.
Zum anderen erheben wir die Werbeausgaben in Publikumsmedien, der stationären Apotheke über Außendienst und Werbematerial, die Investitionen in Werbemaßnahmen auf Versandapotheken und zu guter Letzt Werbeaktivitäten beim Arzt über Außendienst, Fachzeitschriften und Mailings.
Wir können mit diesen Tools verstehen, wie in einzelne Märkte investiert wird und beobachten, wie Wettbewerber im Markt agieren. Mit diesen Tools kann man dann in die Feinplanung des Marketingplans einsteigen.
Ein wichtiges Feld, das Sie analysiert haben, ist der Einfluss der Arztempfehlung auf den Absatz von OTC-Produkten. Können Sie uns dazu erste Erkenntnisse zusammenfassen?
Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass seit dem GMG (Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung) im Jahr 2004 in der prozentualen Struktur des Gesamtabsatzes in der Selbstmedikation die Arztempfehlung nahezu stabil ist. Dies ist sicherlich erstaunlich.
Darüber hinaus gibt es grundsätzliche Dinge beim Auf- und Ausbau der Arztempfehlung zu verstehen. Will man die Arztempfehlung als Marketinginstrument aufbauen, so benötigt man einen langen Atem. Häufig sehen wir, dass es bis zu einem Jahr dauern kann, bis man Erfolge sieht. Das ist natürlich kostenintensiv und auf den ersten Blick unattraktiv. Allerdings wissen wir aus unseren Untersuchungen, dass Arztempfehlungen auch sehr nachhaltig sind. Im Vergleich zur Apothekenempfehlung ist die Arztempfehlung viel länger in den Köpfen der Endverbraucher präsent.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Käufer auch weniger durch Endverbraucherwerbung beeinflussbar und eher treue Käufer sind. Das hat etwas mit Vertrauen zu tun.
Dann muss man natürlich überlegen, über welche Maßnahmen der Arzt informiert werden kann und unter welchen Umständen er zu einer Empfehlung bereit ist. Habe ich nur ein Produkt, dann macht es sicherlich keinen Sinn, einen Außendienst aufzubauen. Hierfür hat sich oft ein Mix aus Investitionen in Arztinformationssysteme, Mailings und Anzeigen in Fachzeitschriften bewährt. In anderen Fällen sollte die Kommunikation des Außendienstes durch andere Maßnahmen wie die Kommunikation im Arztinformationssystem ergänzt werden. Wir hatten auch schon Kampagnen, in denen ausschließlich über das Arztinformationssystem kommuniziert wurde und die Arztempfehlungen stiegen. Das muss man immer auf den speziellen Kontext hin prüfen und ausrichten.
Können Sie Rückschlüsse auf bestimmte Einflussfaktoren für den Erfolg einer Kampagne ziehen? Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Elemente in der Kampagnengestaltung?
Die zentralen Bestandteile einer Kampagne bestehen unserer Erfahrung nach aus vier Elementen, die ineinandergreifen und optimal aufeinander abgestimmt sein sollten.
Die Botschaft (1) mit klaren Aussagen zum USP oder Nutzen ist ebenso wichtig wie Gestaltung (2) und Umsetzung dieser Aussage. Diese kann nur dann ankommen, wenn in der Mediaplanung (3) die richtige Zielgruppe und die passenden Kanäle ausgewählt werden. Wenn wir hier von Mediaplanung sprechen, verstehen wir dabei nicht nur die Endverbraucherkanäle, sondern ebenso die Frage: Besuche ich die richtigen Apotheken und Ärzte. Letztlich spielt natürlich auch das Budget (4) eine Rolle.
Wohin entwickeln sich aus Ihrer Sicht die Möglichkeiten bei der ROI-Messung? Was wird sich in Zukunft noch ändern oder was wird möglich sein?
Die ROI-Messung wird in Zukunft immer komplexer, da es zunehmend mehr Touchpoints gibt. Aus unserer Sicht muss man Maßnahmen bündeln und von monokausalen Analysen eher Abstand nehmen. Der Pharma-Bereich ist einer der am besten untersuchtesten Branchen mit vielen wertvollen Daten, die leider nicht immer in vollem Umfang genutzt werden. Wer zukünftig Vorteile in wettbewerbsintensiven Marktbereichen erreichen will, sollte die vorhandenen Daten häufiger und gezielter nutzen. Zwei wichtige Voraussetzungen gelten dabei immer: eine möglichst neutrale, objektive Erhebung und Auswertung der Daten sowie eine Offenheit für die Ergebnisse, die in manchen Fällen auch den Misserfolg einer Kampagne belegen können. Denn diese bieten die Chance, Optimierungspotenziale zu erkennen und auf lange Sicht erfolgreich zu sein.