Die X-chromosomale Hypophosphatämie ist die häufigste der seltenen Knochenstoffwechsel-erkrankungen. Ärzte stehen vor der Herausforderung, aus den einzelnen anamnetischen Hinweisen die richtigen Schlüsse zu ziehen und auch Seltene Erkrankungen zu berücksichtigen. Ein Projekt von Pharma-Hersteller Kyowa Kirin und intermedix unterstützt Ärzte dabei und setzt einen digitalen Assistenten im Arztinformationssystem (AIS) ein.
Die X-chromosomale Hypophosphatämie (XLH) ist eine seltene, genetisch bedingte, chronische Multisystemerkrankung mit einem komplexen Krankheitsbild. Im Kindes- und Jugendalter bestimmen Rachitis, Wachstumsstörungen, verringerte Wachstumsgeschwindigkeit und verbogene untere Extremitäten das Krankheitsbild. Diese Leitsymptome werden meist zwischen dem zwölften und 24. Lebensmonat erkannt – in manchen Fällen aber erst im Erwachsenenalter. Der Phosphatmangel und die damit einhergehende gestörte Mineralisierung der Knochen sowie der Zähne haben einen lebenslangen Einfluss auf die Gesundheit und Lebensqualität der betroffenen Patienten. Eine frühe Diagnose ist daher Voraussetzung für eine frühzeitige Therapie. XLH wird jedoch trotz bestehender ausgeprägter Symptome bei einem Teil der Patienten erst nach Jahren diagnostiziert. Mit der Entwicklung einer Antikörpertherapie und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Krankheitsmechanismus der XLH besteht mittlerweile die Möglichkeit, die Erkrankung zu behandeln. Durch die Normalisierung der Serumphosphat-Konzentration werden die Körperfunktionen verbessert und klinische sowie patientenrelevante Vorteile erreicht.
Aufklärung notwendig
Wie bei vielen anderen Seltenen Erkrankungen liegt die große Herausforderung darin, Ärzte für die Symptomatik von XLH zu sensibilisieren und diagnostischen Optionen im entscheidenden Moment präsent zu machen. Der japanische Pharmakonzern Kyowa Kirin mit Deutschlandsitz in Düsseldorf hat sich vor dem Hintergrund dieser Herausforderung dafür entschieden, in Zusammenarbeit mit intermedix direkt im Patientengespräch Aufmerksamkeit zu schaffen.
Möglich wird dies durch eine spezielle Kommunikationslösung: WICOM Assist ist ein digitaler Assistent im Arztinformationssystem (AIS), der auf Basis einer Vielzahl an Einzelparametern Zusammenhänge automatisch abgleichen und Ärzte mit diagnose- und therapierelevanten Informationen bei der Diagnosefindung unterstützen kann. Durch diese kontextsensitive Ansprache werden Mediziner möglichst nah an relevanten Behandlungsfällen auf XLH aufmerksam gemacht. Ziel ist es, dem Arzt im häufig von großem Zeitdruck geprägten Praxisalltag schnell mögliche Zusammenhänge transparent zu machen und gleichzeitig hilfreiche Informationen zu liefern. WICOM Assist steht Anwendern der Arztinformationssysteme der CompuGroup Medical zur Verfügung und erreicht damit bis zu 64.000 Ärzte beziehungsweise mehr als die Hälfte aller niedergelassenen Ärzte in Deutschland.
Awareness-Hinweise
In ihrem gemeinsamen Projekt haben Kyowa Kirin und intermedix ein komplexes Geflecht an möglichen Kriterien-Kombinationen aus Diagnosen, Medikation und Laborwerten erstellt. Diese Informationen werden vom Arzt in der elektronischen Patientenakte dokumentiert. Insgesamt wurden sieben verschiedene Auslöseszenarien definiert und ein Regelwerk aufgestellt, das 74 verschiedene ICD-Codes, 25 ATC-Codes, sechs altersabhängige Normwertstufen für Serumphosphat und pro Geschlecht 32 Perzentilenstufen bei der Körpergröße kombiniert und zusätzlich unterschiedliche Zeiträume berücksichtigt. Tritt nun eine dieser Kombinationen in der vorliegenden Patientenakte auf, löst dies einen initialen Awareness-Hinweis aus, der einen möglichen Zusammenhang bestimmter Parameter mit XLH thematisiert und zusammengefasste Informationen zur Erkrankung, weiterführenden Diagnostik und Therapie bereitstellt. Optional kann der Hinweis auch für später gemerkt werden. Die Hinweise unterscheiden sich je nach Altersgruppe.
Das Ergebnis
Mit dem ebenfalls von intermedix entwickelten Auswertungsverfahren ixsight WICOM wird regelmäßig überprüft, welche Auslösekriterien wie häufig aufgetreten sind. Dies gibt Kyowa Kirin wichtige Hinweise auf das Vorliegen von realen Kombinationen und ermöglicht weitere Optimierungen und Anpassungen an WICOM Assist. Die Auswertung des ersten Kampagnenquartals lässt bereits darauf schließen, dass die Kommunikation sehr genau im Behandlungskontext von XLH-Verdachtsfällen erfolgt, zum Beispiel bei Patienten mit schlecht heilenden Frakturen, Phosphatstoffwechselstörungen, Kleinwuchs jeweils in Kombination mit Phosphatsubstitutionstherapie. „WICOM Assist ermöglicht uns eine gezielte Information im relevanten Behandlungskontext und gibt bei Bedarf fachlich fundierte Informationen zur Entscheidungsfindung und Weiterbildung an die Hand. Für uns waren insbesondere der Moment der Kommunikation – das Patientengespräch – und das komplexe Targeting vielversprechende Möglichkeiten, auf XLH aufmerksam zu machen und damit Patienten frühzeitig zu helfen“, sagt Dr. med. Dirk Maessen, Business Franchise Lead – Nephrology bei Kyowa Kirin, und ergänzt: „Die Auswertungen der ersten Kampagnenmonate haben unsere Erwartungen dabei weit übertroffen."
Der Fachartikel ist im Sonderheft der Fachzeitschrift HEALTHCARE MARKETING (Ausgabe 04 /2021).